aggfa “Glasfaser als Sensor” Tagung in der WKO Wien
Am 5. September 2024 fand die hochinteressante “Glasfaser als Sensor” Tagung in der Wirtschaftskammer Österreich in Wien statt. Die Veranstaltung richtete sich an Fachleute und Interessierte, die mehr über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und Vorteile der Glasfaser-Sensor-Technologie erfahren wollten.
Die Tagung war geprägt von herausragenden Keynotes führender Experten, darunter Werner Lienhart von der Technische Universität Graz, Wolfgang Schade vom Fraunhofer Heinrich Hertz Institute HHI, Stefan Breuer für Fiber Optic Sensing Association (FOSA), Martin Litzenberger vom AIT Austrian Institute of Technology und vielen weiteren spannenden Beiträgen.
Rund 80 Teilnehmer:innen lauschten gespannt den Ausführungen der Experten und den lebhaften Diskussionen mit dem Publikum.
Resümee der Veranstaltung
„The most underestimated market is fiber as a sensor.”
Diese Botschaft von Eric van den Oever (Prysmian) durchzog wie ein roter Faden die Veranstaltung. Wir lernten, was man unter Glasfaser als Sensor versteht, wir lernten eine große Anzahl von bereits realisierten Anwendungen weltweit und in Österreich kennen, und wie sich der Markt weiter entwickeln könnte.
Vor mehr als 80 Teilnehmern fanden elf Vorträge und zwei Podiumsdiskussionen unter intensiven Beteiligung des Publikums statt, die in den Pausen und beim Networking fortgesetzt wurden.
Mag. Helga Tieben, Geschäftsführerin des Fachverbands der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen, Wirtschaftskammer Österreich, hob in ihrer Eröffnungsrede den Zusammenhang zwischen Glasfasernetzen und der innovativen Technologie des Glasfasersensings hervor und ging dann kurz auf die Kernaussage der Studie „Die Volkswirtschaftlichen Effekte der Telekommunikations- und Rundfunkbranche in Österreich.“ ein: „Fast 10,2 Mrd. Euro an Bruttowertschöpfung wurden im Jahr 2022 direkt durch die Telekommunikationsbranche in Österreich erwirtschaftet. Dies entsprach einem Anteil von 2,55 Prozent an der gesamten österreichischen Wertschöpfung.“
Der erste Teil des Tages befasste sich mit der Frage
„Was ist eigentlich Glasfaser als Sensor? Was steckt dahinter?“
Vielen von uns ist die Glasfaser mit ihren hervorragenden Eigenschaften als wichtigstes Medium der Datenkommunikation bekannt. In der Sensorik ermöglicht eine unbeschaltete Glasfaser (Dark Fiber) die lückenlose Erfassung von Ereignissen entlang einer Strecke. Es werden Änderungen von Dehnungen, Temperatur und Vibration (Akustik) erkannt, kategorisiert und in Fehlerklassen umgewandelt. Die Ergebnisse stehen zeitlich und georeferenziert längs dieser Strecke zur Verfügung.
Professor Dr. Lienhart erklärte in seinem Vortrag das technische Grundprinzip der verteilten faseroptischen Messungen (DFOS – Distributed Fiber Optic Sensing) über eine längere Glasfaserstrecke, wobei zu Beginn der Messung weder Zeitpunkt noch Ort eines Ereignisses bekannt sind, sondern erst während des Monitorings erkannt werden.
Die Glasfaser reagiert hochsensibel auf Dehnung, Temperatur und Vibration. Man macht sich diese Eigenschaft zu Nutze, indem man die natürliche Rückstreuung von in die Glasfaser eingekoppelter Lichtimpulse analysiert. Die Rückstreuung erfolgt von dem Punkt aus, an dem ein Ereignis die Glasfaser beeinflusst hat. Der Vortrag erklärt die verschiedenen Grundprinzipien der verteilten Dehnungsmessung (DSS – Distributed Stress Sensing), der verteilten Temperaturmessung (Distributed Temperature Sensing – DTS) und der verteilten akustische Messung (DAS – Distributed Acoustic Sensing) und bringt typische Anwendungen auf Straße und Schiene, bei Hangrutschungen, Erddämmen, Staumauern, Versorgungsleitungen (Telekommunikation, Strom, Gas, Fernwärme), Tunnel, Zugstrecken, Brücken und bei der Gebäudeautomation. Die Glasfaserstrecken für verteilte faseroptische Messungen können bis zu 100 km lang sein.
Zum Unterschied zur verteilten optischen Messung konzentriert sich Professor Dr. Schade auf eine Glasfaserstrecke, wobei der Ort, an dem Ereignisse beobachtet werden sollen, vordefiniert ist. Das wird erreicht, indem man an den zu messenden Stellen optische Filter einfügt, die bestimmte Wellenlängen nicht weiterleiten, sondern reflektieren. Man spricht hier von Fiber Bragg Grating Sensoren (FBG Sensoren), die an den gewünschten Orten eingespleisst werden.
Weitere Forschungsergebnisse sind ultradünne Glas-Folien, die dreidimensional Druck erkennen und in der minimalinvasiven Chirurgie (EU Project Palpable) und im Cyber Glove Anwendung finden.
Die Ausführungen von Eric van den Oever (Prysmian) und Stefan Breuer als Vertreter der Fiber Optic Sensing Assiciation (FOSA) befassten sich mit den Vorteilen der Technologie und den treibenden Kräften für die Ausweitung des Marktes:
- „Multi-Use“ von Glasfaserinfrastrukturen: Mit nur einer Faser kann eine Vielzahl von verschiedenen Ereignissen überwacht werden, wobei die Ergebnisse verschiedenen Nutzern zur Verfügung gestellt werden.
- Synergien zwischen Telekommunikation und Glasfaser: bereits in Glasfasernetzen vorhandene unbeschaltete Glasfasern (Dark Fiber) können als Sensoren benützt werden, ein mehrmaliges Aufgraben wird verhindert. Bei der Planung von Glasfasernetzen kann Verwendung bestimmter Leitungen für für Glasfasersensorik Berücksichtigung finden.
- Starker Druck auf die Senkung der Reparatur- und Wartungskosten.
- Ermöglichung proaktiver Wartungen.
- Erwartete Steigerung der Leistungsfähigkeit von Glasfaser als Sensor.
- Senkung der Kosten bei den immer mehr ansteigenden Sicherheitsmaßnahmen
- Durch den Klimawandel verursachte Zunahme von Muren, Hangrutschungen, Hangmuren, Steinschlägen und mögliche Beschleunigung oder Reaktivierung von tiefgründigen Hangdeformationen erfordert in Zukunft Methoden zum rechtzeitigen Erkennen und damit den Einsatz von Glasfasersensing.
- Entstehung innovativer Geschäftsmodelle unter Beteiligung neuer Marktteilnehmer, die die Messergebnisse aus einer Faser verschiedenen Nutzern anbieten: Gemeinden, Transportunternehmen, Energieversorgungsunternehmen, Wegerechtseigentümer, Telekommunikationsunternehmen.
Der zweite Teil des Tages war den Aktivitäten in Österreich gewidment:
Welche Beispiele für Use Cases gibt es schon, welche österreichischen Unternehmen befassen sich mit Glasfaser als Sensor?
Herr Dr. Martin Litzenberger vom AIT – Austrian Institute of Technology befasste sich mit dem Fahrzeugmonitoring auf Straße und Schiene, wobei er sich weniger auf die Ereignisse auf den Verkehrswegen als jene bei den Fahrzeugen konzentrierte: z. B. Radfehler bei Schienen- Fahrzeugen können zu schweren Unfällen führen, die rechtzeitige Radfehlerdetektion ist essentiell für die Vermeidung von Eisenbahnunfällen und kann mit derselben Faser, die den Gleiskörper überwacht, durchgeführt werden. Derzeit erfolgt die Radfehlerdetektion mit sogenannten Checkpoints längs der Eisenbahnstrecke nur alle 50 bis 100 km, mit der verteilten Glasfasersensorik ist eine lückenlose Überwachung gewährleistet.
Die präsentierten Anwendungsfälle umfassen die lückenlose Überwachung von unterirdischen Strom-Versorgungsleitungen der Energie Netze Steiermark (Werner Lienhart), Faseroptisches Monitoring im Brenner Basistunnel und entlang Fernwärmeleitungen (Fabian Buchmayer, ACI- Monitoring), Kontinuierliches Monitoring und erhöhte Sicherheit der Gleisinfrastruktur (Yannick Maier, Sensonic), 11 Jahre FOS Aktivitäten in der Bahnstromtechnik (Klaus Leithner, ÖBB Infra), Gravitative Massenbewegungen in Österreich (Marc Ostermann, GeoSphere Austria).
Der letzte Beitrag befasste sich mit einem steirischen Pilotprojekt: in Zusammenarbeit der Steirischen Breitband- und Digitalinfrastruktur-GmbH. – SBIDI (Johannes Trummer) mit der Abteilung 7 Referat Bauausführung und ländlicher Wegebau, Amt der Steiermärkischen Landesregierung (Peter Faissner) ist unter der technischen Leitung von Werner Lienhart eine Teststrecke auf einer Gemeindestraße mit einer vorhandenen SBIDI Glasfaserleitung und einer im Asphalt verlegten neuen Glasfaserleitung geplant. Dabei werden folgende verschiedener Ereignisse mit Fasersensorik überwacht: Beobachtung von Frost und Tau, Bewertung von Hangrutschungen, Untersuchung der Auswirkungen verschiedener Frequenzen und Durchführung von Tonnagemessungen.
Dieses Pilotprojekt hat hohe Bedeutung, da es ein Leuchtturmbeispiel für die in Zukunft immer wichtiger werdende Kooperation zwischen FTTH-Ausbau, Straßenverwaltung und Gemeinde ist und damit die Bedeutung der Synergien zwischen Glasfasernetzen und Glasfaser als Sensor illustriert. Es kann als Beispiel gelten, wie der Glasfaserausbau in Österreich den Markt der Glasfasersensorik beflügeln kann.
Die Ergebnisse der unter starker Beteiligung des Publikums stattgefundenen Diskussionen können wie folgt zusammengefast werden:
- Glasfaser als Sensor ist zwar noch zu wenig bekannt, aber wird weltweit und auch in Österreich schon seit Jahren eingesetzt.
- Trotz einer Vielfalt von innovativen zukünftigen Möglichkeiten ergaben die Diskussionen noch keine klare Sicht, wie schnell sich der Markt entwickelwird.
- Die großen Vorteile der Technologie und eine Reihe von Treibern, wie oben erwähnt, helfen bei der Weiterentwicklung des Marktes
- Forschungsinstitute, wie sie auch in dieser Tagung präsentierten (Instituts für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme TU Graz, Fraunhofer Heinrich Hertz Institute (HHI) & Clausthal University of Technology, AIT Austrian Institute of Technology GmbH), treiben durch Forschung, Entwicklung, Kooperationen mit Infrastrukturunternehmen und Start-Ups und mit Pilotprojekten den Einsatz von Glasfasersensing.
- Als Endergebnis der Diskussionen wurde es als sinnvoll erachtet, die Entwicklung des Marktes in Österreich mit einer zu gründenden Arbeitsgruppe zu unterstützen und voranzutreiben, wobei sie die Vorteile der herstellerunabhängigen Plattform der CMG-AE nutzen könnte. Alle Interessierte sind zur Mitgestaltung eines solchen Themenpanels aufgerufen.
Ein herzliches Dankeschön an alle Aussteller, Sponsoren, Referenten und vor allem an unsere Teilnehmer! Ihre Beiträge haben maßgeblich zum Erfolg dieser Tagung beigetragen. Die Stimmung war fantastisch und es gab zahlreiche interessante Gespräche – ein echtes Branchentreffen!
Fotos: © CMG/aggfa – Klaus Prokop